Danau Toba

Vor 75.000 Jahren wurde bei einem der größten Vulkanausbrüche 2.000 Kubikkilometer Asche über ganz SOA verteilt. Durch diesen Verlust an Masse und Volumen ist der Vulkan in sich zusammengebrochen.

Die ungeheure Naturkatastrophe, die zur Bildung des Sees führte, spiegelt sich auch in einer Legende der Batak wider: Ein Fischer fing in einem ehemals recht kleinen Gewässer einen großen Fisch, der sich in eine hübsche Frau verwan­delte. Sie willigte in die Heirat mit dem Fischer ein, unter der Bedingung, dass dieser nichts über ihre Herkunft verraten dürfe. Als er in einem Moment der Schwäche das Verbot verletzte, erzürnte die Frau und schlug die Trommel. Darauf begann ein Unwetter mit Sturm und sintflutartigem Regen, begleitet von heftigen Erdbeben und Blitzen, die das Land in Stücke brachen. So sam­melte sich an dieser Stelle das Wasser des heutigen Danau Toba. Die Frau stürzte sich in die Fluten und wird seit der Zeit als Baru Saniang Naga, die Dra­chenkönigin, verehrt, gefürchtet und mit Opfergaben besänftigt. So mancher Fischer, der in einem plötzlich aufgekommenen Sturm kenterte und ertrank, ist ihrem Zorn zum Opfer gefallen.

Der heutige See, dessen Wasseroberfläche etwa 900 m über dem Meeresspie­gel liegt, ist mit 1146 km2 Wasserfläche und einer Tiefe von mehr als 450 m der mit Abstand größte See Sumatras (Zum Vergleich: der Bodensee hat 539 km2). In der Mitte des 80 km langen und bis zu 26 km breiten Danau Toba liegt die 627 km2 große Insel Samosir. Sie ragt im Osten steil aus dem Wasser (bis zu 500 m hoch) und fällt zum Westen hin sanft ab. Die gesamte Uferre­gion rings um den See ist ebenfalls recht abschüssig. Vier Vulkane, die sämtlich höher als 2000 m sind, umrahmen den See.

Die Qualität des Wassers lässt freilich zu wünschen übrig. Die Jakarta Post mel­dete schon am 23. 1. 1990: „Das Wasser des Toba-Sees ist durch Abwässer aus den Dörfern inzwischen soweit verschmutzt, dass selbst das Baden im See gesundheitsschädlich sein kann!"

Air Panas

Eigentlich wollte ich heute am Ostersonntag ja in die Kirche gehen, aber auf dem Weg zum zwei Kilometer entfernten Gotteshaus bin ich an einem Markt vorbeigekommen, wo ich zuerst mal einige Früchte besorgt habe, und dann, ich habe schon den Gesang aus der Kirche gehört, haben mich einige Männer zu sich an den Tisch gebeten. Einer von ihnen hat mich mit seinem Moped, nachdem der Gottesdienst bereits zu Ende war, zu den nochmals drei Kilometer entfernten Hot Springs gebracht. Hier bot sich mir ein völlig anderes Bild als bei den bisher gesehenen heißen Quellen. Zahlreiche wohlhabendere Leute aus Medan sind an diesem langen Wochenende nach Pangururan gekommen, und auch einige Schulklassen verteilen sich auf die verschiedenen Pools. Ich gehe den Berg hinauf, wo mir am wenigsten Leute zu sein scheinen. Kalkweißer Fels, der mit gelben Schwefel- Ablagerungen bedeckt ist, fällt steil ab und bildet einen gewaltigen Kessel, in den aus allen Richtungen heißes Wasser fließt. In meine Nase dringt ein Duftgemisch aus verfaulten Eiern und süßem Kokos. Rings um das an den Fels geklebte Restaurant befinden sich mehrere Auswaschungen, in denen man sich im nicht stark nach Schwefel riechenden Wasser, getrennt nach Männern und Frauen, entspannen, oder wie die Kinder einfach herum planschen kann. Im Augenblick ist mir zuviel Rummel, und es dauert auch nicht lange, bis ich umgeben bin von einigen Mädchen, die in Medan studieren.

Als ich Allen meine Adresse gegeben, und ihre Fragen beantwortet hatte, bin ich zu einem drei Kilometer entfernten Aussichtspunkt im Norden gelaufen, von wo man die gewaltigen Ausmaße des Sees mit seinen Inseln und den Vulkankegeln am Horizont bewundern kann. Aber nicht nur die Aussicht lohnt eine Wanderung hierher, sondern auch die Stille, die unzähligen Vögel, welche in den Büschen nisten, und die farbenprächtigen Schmetterlinge, wo ich auch nach zahllosen vergeblichen Versuchen ein Foto von einem besonders schönen und graziösem blauen Falter einfangen kann, den ich schon oft bewundern durfte, aber noch nie in die Lage gekommen bin, von ihm ein Bild einzufangen. Die Zeit vergeht wie im Fluge, wenn man den Faltern hinterher jagt, und währenddessen hat sich über dem See bedrohlich ein Gewitter aufgebaut, das immer näher zu kommen scheint und mich deshalb veranlasst, die sieben Quellen, von denen jede einen anderen Geschmack haben soll, nicht mehr zu suchen, und statt dessen den Rückweg anzutreten. Eine halbe Stunde später fängt es dann auch wie aus Eimern zu Schütten an. Ich will nicht meckern, denn immerhin hat heute das Wetter bis um Drei gehalten.

Völlig durchnässt komme ich an den heißen Quellen an, wo ich jetzt fast allein bin, und mir zuerst mal ein Bad im obersten Pool gönne. Welch eine Wohltat, wenn man nach Wochen endlich mal wieder ein warmes Bad nehmen kann. Als meine Haut völlig aufgeweicht war bin ich zurück zu dem Restaurant, wo ich die Männer von heute Vormittag wieder getroffen habe, die mich zu Goldfisch eingeladen haben, der die Ausmaße meines Unterarms hatte. Einer spielte nebenbei Gitarre, und ich habe ihnen ein Bier spendiert. Mit Ipong, der als einziger Englisch konnte, habe ich mich länger unterhalten. Er hat einen Freund auf Tuk-Tuk, einen Schweizer, der jeden Monat von weiß nicht woher 15 Mill. Rupiah bekommt, während Ipong als Klempner gerade mal 200000 bekommt. Er meint, dass der Schweizer ein guter Mensch ist, er bezahlt ihm den Arzt, und wenn er ins Krankenhaus muss übernimmt er auch diese Kosten, aber wenn Ipong in sieht ist er meistens betrunken.

Es ist bereits dunkel, als ich mich zu Fuß auf den Weg zurück nach Pangururan mach. Unterwegs treffe ich noch ein liegen gebliebenes Motorrad- Taxi, dessen Besitzer ich bis in die nächste Ortschaft schieben helfe, wo er im Schein einer Laterne entdeckt, dass das Zündkabel lose ist. Er nimmt mich mit bis in die Stadt, und macht dann noch eine Andeutung, dass normal 5000 RP verlangt werden. Ich lache ihn an und lasse ihn stehen.

Ein ganz gewöhnlicher Tag

Am Montag wollte ich einfach nur aus meinem Hotel in Pangururan auschecken und nach Tuk-Tuk, um dort etwas “Urlaub” zu machen, einfach mal zwei Tage nichts tun. Aber wie so oft im Leben kommt alles anders als man es sich vorstellt. Angefangen hat es damit, dass ich in Pangururan keine Traveller Checks einlösen konnte, und mich Ipong, den ich zufällig in der Stadt getroffen hatte und an diesem Tag frei hatte (Ostermontag), mit seinem Moped nach Tuk-Tuk brachte, in der Hoffnung, dort Geld zu bekommen. Es gibt keine Bank in Tuk-Tuk, aber man hat uns in ein Hotel verwiesen, wo sie seit einigen Monaten auch keine Schecks mehr akzeptieren, und die uns zu einem Touristik Information Center schickten. Dort habe ich auch zu einem schlechten Kurs Geld bekommen. Danach sind wir wieder Richtung Pangururan gefahren, aber unterwegs hat er eine Freundin getroffen, die uns eingeladen hat. Gegen Drei hat dann heftiger Regen eingesetzt, der uns dazu veranlasste, bei ihr über Nacht zu bleiben. Mit Wanty (24 Jahre), der Freundin von der Freundin, habe ich mich lange unterhalten, sie hat mir davon erzählt, dass ihr Vater sie aus dem Haus gejagt hat, ihr Freund vor einem Jahr gestorben ist weil er zuviel trank und Marihuana rauchte, ihre Eltern kein Geld für eine weiterbildende Schule haben, und ihre Großmutter schwer krank ist. Ihre Eltern haben einen Souvenir- Shop nahe den “Stone chairs”, doch seit über einem Jahr sind nur wenige Touristen in dieser Gegend und der Gewinn langt nicht für die Schulden. Deshalb arbeitet ihre Mutter auf dem Feld, während der Vater einen Teil des Geldes für teures Bier ausgibt.

Von ihr erfahre ich zum ersten mal von Problemen in Familien im Gebiet der Batak wegen Alkohol, oder Marihuana, das in Indonesien eigentlich verboten ist, und dessen Besitz oder Handel mit hohen Freiheitsstrafen geahndet wird, aber hier in dieser Gegend etwas lockerer gehandhabt zu werden scheint. Außerdem kann man mit etwas Geld viel ausrichten, und Geld ist dabei genügend zu verdienen. Ein Guide hat mir mal erzählt, dass wenn einen die Polizei einmal verhaftet hat, man damit auch zugleich als schuldig gilt. Es gibt im unserem Sinne keine Verhandlung, und der beste Weg ist der, dass man versucht den Polizisten durch ein Schmiergeld daran zu hindern, einen festzunehmen.

Man sieht den Menschen hier nicht gleich an, aus welchen Verhältnissen sie stammen, da sie großen Wert auf ihr Äußeres legen, und fast immer einen gepflegten Eindruck machen. Aber wenn man mit ihnen spricht, und in ihr Haus eingeladen wird, bekommt man einen Einblick in die Schwierigkeiten, mit denen sie Tag für Tag konfrontiert werden. Auf jeden Fall war es ein schöner Abend, an dem ich einiges über das Leben der Menschen in diesem Gebiet erfahren habe, und nebenher konnte ich Wanty ein bisschen Englisch beibringen, und sie mir ein wenig Indonesisch.

Mit Wanty bin ich am folgenden Tag nach Pangururan gefahren, habe im Hotel meine Rechnung bezahlt, und sie eingeladen, mich diesen Tag zu begleiten, weil ich auf dem Weg nach Tuk-Tuk noch einiges anschauen will. Als erstes wollte ich traditionelle Tänze der Batak besuchen, doch zuvor haben wir eine Verwandte von Wanty besucht, die in unmittelbarer Nähe von der Bühne wohnt. Die Frau arbeitet auf einem Feld, wo Zwiebeln angebaut werden, und bekommt am Tag 10.000 RP. Ich lade Wanty in ein Rumah Makan zu einem simplen kleinen Essen ein und bezahle dafür 8.000 RP. Für den Sohn der Verwandten kaufe ich Kekse für 4.000 RP. Ein Kilo Reis kostet schon 4.000 RP.

Die Tanzvorführung, die ich besuchen wollte, werden wegen mangelnder Touristen seit etwa einem Jahr nicht mehr aufgeführt. Unser nächstes Ziel ist das Museum in Simanindo. Die eigentliche Attraktion für mich sind neben den traditionellen Häusern zwei alte Bäume, die völlig verwachsen sind mit Lianen, und in deren Kronen unzählige von Reihern nisten, die ihren Nachwuchs mit Fischen aus dem nur wenige Meter entfernten See versorgen. Mit Wanty fahre ich zum Haus ihrer Eltern, denn sie braucht frische Kleider, und sie hofft dabei, dass ihr Vater nicht Zuhause ist. Als wir dort ankommen erfährt sie von ihrer jüngeren Schwester, dass ihre ein Jahr ältere Schwester in Jakarta gestorben ist. Sie meint, dass ihr Mutter und ihr Vater nach Jakarta gefahren sind, um den Leichnam hierher zu bringen, und dass ich heute Nacht im Haus ihrer Eltern bleiben könnte. Ihre Schwester bereitet ein Zimmer in einer kleinen Hütte nebenan. Während dessen besuchen wir die Großmutter, die wenige Häuser weiter in einem kleinen Zimmer wohnt. Sie freut sich sichtlich, und lächelt, als sie mich sieht. Sie liegt jetzt seit über einem Jahr im Bett, kann nicht aufstehen, keine feste Nahrung zu sich nehmen, und wird immer schwächer. Ich verbringe bestimmt zwei Stunden bei ihr, und sie erzählt von ihrer Krankheit (Wanty ist der Dolmetscher), dass sie schon zwei mal im Krankenhaus war und Tabletten bekommen hat, nun aber kein Geld mehr für die teure Medizin und den Arzt da ist. Irgendwas mit ihrer Leber scheint nicht in Ordnung zu sein, aber so genau kann sie es mir nicht erklären. Sie fragt mich, ob ich keine Medizin dabei habe, die ihr hilft. Ich versuche Wanty zu erklären, dass es selbst in Deutschland schwierig wäre ihr zu helfen, da man sie wegen ihres hohen Alters wahrscheinlich nicht mehr operieren, sondern man ihr nur Schmerzmittel verabreichen würde. Als wir gehen sagt sie zu mir, dass sie sich Susu Ambill wünscht, das ist hier in dem kleinen Dorf nicht zu bekommen, und außerdem zu teuer, um es regelmäßig zu besorgen. Ich verspreche ihr, dass ich morgen wiederkomme, und versuchen werde, das Susu aufzutreiben.

Noch nie in meinem Leben habe ich so oft jemand zu mir sagen hören “You‘re handsom man”. Überall wo ich mit Wanty auftauche bekomme ich das zu hören, und werde gefragt wann wir heiraten. Dann muss ich die Leute erst mal aufklären, dass ich eine sehr liebe Freundin in Deutschland habe, und Wanty “nur” eine Freundin ist, und ich sie nicht heiraten werde.

Am Abend haben wir uns ein Moped ausgeliehen um damit nach Tuk-Tuk zu fahren, in der Hoffnung, dass dort eine Tanzvorführung stattfindet. Zuvor habe ich Wanty zum Abendessen eingeladen, in ein gutes Restaurant, in dem aber fast keine Gäste sind, und kein einziger Tourist, obwohl auf der Speisekarte Spaghetti und Pizza stehen. Ein Gewitter zieht auf - Blitze erhellen den See - lässt die Nacht zum Tag werden. Alles schon mal da gewesen - denke ich mir, und ich habe wieder dieses Deja-Vu.

Hier erfahren wir, dass heute wegen mangelnden Interesses und wegen des heftigen Regens keine Darbietung ist. Wantys Freund kommt später noch in das Restaurant. Der erzählt uns, dass ihr Vater nicht mit nach Jakarta gefahren ist, weswegen Wanty am liebsten nicht zurück nach Siallagan gehen würde. Aber wir haben versprochen, dass wir das Moped bis Elf zurück bringen, und inzwischen ist es bereits nach Elf. Wir sind zurück gefahren, aber in dem Haus brannte kein Licht mehr. Wanty hatte Angst nach Hause zu gehen, das hat man gespürt, und sie hat mich gefragt, ob es mir was ausmachen würde, wenn wir wieder nach Tuk-Tuk fahren, wo wir vielleicht bei den Eltern ihres Freundes übernachten könnten. Zwanzig Minuten Fahrt durch die kalte Nacht, und wir stehen vor einem dunklen Haus, wo uns erst nach längerem Klopfen vom Vater die Türe geöffnet wird, der seinen Sohn ruft. Wanty erklärt ihm die Lage, und er redet mit seinem Vater, welcher aber meint, dass wir nicht hier schlafen können. Donni hat Freunde in einem Hotel, wo wir auch zu dieser späten Stunde noch ein Zimmer bekommen könnten. Also fahren wir zu dritt auf dem Moped zum anderen Ende der Insel, wo wir auch Glück haben, und ein günstiges Zimmer bekommen. Zu dritt teilen wir uns das Bett in dem kleinen Raum, und ich kann lange nicht einschlafen, weil ich mich immer wieder frage, warum ich das alles mache, warum ich sie nicht einfach nach Hause gebracht habe, mich in die Hütte gelegt habe, und jetzt schon seit Stunden Schlafen könnte.

Funery

Gerade haben die Berge am gegenüberliegenden Seeufer noch ausgesehen, als würden ihre Spitzen mit Schnee bedeckt sein. Jetzt, nur wenige Minuten später, verschmilzt der See und der Regen zu einem einheitlichen Grau, und die Frauen auf den eben noch in einem hellen Gelb und satten Grün leuchteten Reisfeldern, haben ihre Arbeit eingestellt. Wir kommen von einer Beerdigung aus einem zwei Kilometer entfernten Dorf, und sitzen nun am Ufer des Danau Toba in einem netten, ruhigen Café.

Heute Morgen haben wir zuerst mal nach der “Susu” gesucht, und glücklicherweise fanden wir in Tomok auch eine. Danach sind wir zurück gefahren, und haben erst mal das Moped abliefert, und in einem Warung zum Frühstück Tee und eine Nodle Soup bestellt. Hier hat Wanty erfahren, dass ihr Vater heute auf der Beerdigung von ihrem Großvater ist. Also sind wir zuerst zur Großmutter und haben ihr die Susu gebracht. Sie hat trotz ihrer Schmerzen immer noch ein Lächeln für mich und ihr Enkelkind bereit. Ich habe den Eindruck, als ob es ihr heute im Vergleich zu gestern schlechter geht, und ihr fällt das Reden merklich schwerer. Auf jeden Fall freut sie sich sehr über die Milch, und erzählt wie lange sie schon keine Milch mehr bekommen hat. Ihre Schwester bringt mir Tee und eine Papaya aus dem eigenen Garten. Als ich auf Wunsch der Großmutter noch ein paar Bilder von ihr aufgenommen hatte, sind wir zu meiner Hütte, um den Rucksack zu holen. Wanty hat während dessen im Haus etwas aufgeräumt und ihre Schwester hat eine Kleinigkeit zu Essen bereitet.

Als ich auf der Veranda meiner Hütte noch eine Zigarette rauche, die Aussicht auf den See genieße und dabei den Fischern in ihren Einbäumen bei ihrer Arbeit zusehe, steht plötzlich ein Mann neben mir. Er stellt sich mir nicht vor, aber ich gehe davon aus, dass es Wantys Vater ist. Er fragt mich nach meinem Namen, und das Übliche, und erzählt, dass er das hier alles von geliehenem Geld aufgebaut hat. Das Haus und die Hütte liegen direkt vor einem Königsgrab mit einem Beratungs- Platz, auf dem sich noch gut erhaltene Stone Chairs und Skulpturen befinden, die Beschützer und Assistenten darstellen. Er wurde von der Gemeinde aufgefordert die Front des Hause und der Hütte in traditionellem Stiel zu gestalten, hat dafür aber kein Geld zur Verfügung gestellt bekommen, und musste deswegen Land verkaufen und dazu noch die Bank beleihen. Von dem Geld hat er zudem noch einen Souvenir- Shop in der schmalen Gasse eingerichtet, die zu dem Königsgrab führt. Aber wie ich bereits erwähnte sind seit über einem Jahr die Touristen nur spärlich vertreten, und das eingenommene Geld reicht gerade zum Leben, wobei seine Frau noch auf dem Feld arbeitet, und Wantys jüngere Schwester (15 Jahre alt) den Souvenir- Laden übernimmt. Als ich ihn frage was er macht weicht er mir aus und sagt mir stattdessen, dass er deswegen Wanty auch nicht mehr zur Schule schicken kann, und alle Kinder, bis auf Wanty und die jüngste Tochter, das Haus verlassen haben. Die Leute hier sind neidisch auf alles was die anderen Nachbarn haben, und es wird viel geredet und Gerüchte verbreitet. Keiner gönnt dem Andern was, und es entstehen Konflikte und Streitereien. Selbst in seiner Verwandtschaft entstehen nun nach dem Tot seines Vaters große Differenzen wegen dem Erbe. Aber das hat mir alles Wanty schon erzählt, und ich kann es gut nachvollziehen, denn im Grunde genommen ist es in meinem Heimatdorf nicht anders. Er entschuldigt sich, weil er zurück zur Beerdigung muss, und bevor er geht (endlich), lädt er mich ein, auch zur Zeremonie seines Vaters zu kommen.

Als wir in dem winzigen Dorf ankommen, das malerisch auf einer Landzunge der Insel liegt, hat sich wegen des gerade einsetzenden Regens alles unter das große Zelt gedrängt, in dessen Mitte der Leichnam aufgebahrt in einem reich verzierten Sarg aus edlem Holz lag. Er ist umgeben von in traditionellen Kleidern gehüllten Angehörigen. Eine Band spielt - es wird gesungen und gelacht. Zu dem großen Festessen, wofür extra ein wertvoller Büffel gegrillt wurde, sind wir zu spät gekommen. Einige Lieder ähneln stark denen bei uns üblichen, und erinnern mich an den Tod eines sehr guten Menschen und Freund von mir. Um Fünf wird ein letztes trauriges Lied angestimmt und der Leichnam wird zur Bootsanlegestelle getragen, wo er zusammen mit allen Angehörigen mit drei großen Booten in das Heimatdorf gebracht wir, wo noch ein Gottesdienst und das Begräbnis stattfindet.

Ich bin mit Wanty, nachdem ich meinen Rucksack aus der Hütte holte, nach Tuk-Tuk gelaufen, damit sie ihren Freund treffen, und ich mir eine Bleibe suchen kann. Auf dem Weg hierher, in das nette Café wo die Besitzerin soeben einige Kerzen anzündet, und ihr Mann aus Frankreich auf der Gitarre spielt, kamen wir an vielen Restaurants, Losmen und Hotels vorbei, von denen aber viele verlassen oder nur eine Hand voll Gäste zu sehen waren.

Viele Leute hier auf Samosir und Tuk-Tuk haben in den Tourismus investiert, haben ihr Land verkauft, von der Bank Geld geliehen, damit ihr gewohntes Leben aufgegeben und sind jetzt infolge der ausbleibenden Touristen nicht mehr in der Lage die Schulden der Bank zurück zu bezahlen, und teils nicht einmal mehr dazu, ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Sie arbeiten als Tagelöhner für einen lächerlichen Betrag, während die Eigentümer das große Geld kassieren. Sie verkaufen ihre Habseligkeiten um dafür Reis zu kaufen, und nicht selten pfänden die Banken Haus und Grund. Männer die vor einigen Jahren noch gut gebaut und kräftig waren, sind nun nur noch ein Strich in der Landschaft.

Wieder mal frage ich mich: wofür das alles? Weshalb gibt es den Menschen überhaupt? Nur um sich jeden Tag abzurackern, und um sich Sorgen zu machen, ob man am folgenden Tag genug zu Essen hat, und um dabei im gleichen Atemzug seine Umwelt zu zerstören? Vielleicht sollte ich lieber Zuhause bleiben, und mich in ein kleines Zimmer einschließen, dann würde ich das alles nicht mitbekommen, oder aber mit verschlossenen Augen zum Beispiel nach Bali fahren und mich dort an die Kuta Beach legen.

Wantys Freund ist nicht Zuhause, aber sein Vater sagt uns, dass heute Abend eine Tanzvorführung in “Bagus Bay” Restaurant stattfindet. Weil ich heute seit dem Frühstück noch nichts zum Essen hatte, kommt es mir sehr gelegen, dass die Vorführung in einem Restaurant stattfindet. Der Nachteil daran ist, dass dieses auf der anderen Seite der Insel liegt, und es schon wieder zu Regen beginnt.

Ich habe schon seit langen nicht mehr so gelacht wie an diesem Abend, obwohl mir am Nachmittag alles andere als nach Lachen zumute war. Vor die Band zu spielen beginnt, und die Mädchen in ihren traditionellen Kostümen auf die Bühne kommen, taucht auch Wantys Freund Donni auf.

Etwas über Tanz, den Sprecher mit der Bintang Flasche, und den nicht ganz so farbenprächtigen Kostümen im Gegensatz zu denen auf Bali.

Hier bekomme ich seit langem mal wieder eine Zeitung in die Hand, in der von erneuten Kämpfen auf den Muluken berichtet wird. “Three more killed in Muluku riots - Meanwhile on Friday a group of Christians from Oberenen, Weduar and other villages, he said. Police and hospital sources said, as of Friday, at least 11 had been killed and 50 injured in the regency since the clashes erupted on Wednesday. The violence follows similar communal riots in Muluku capital of Ambon, which left about 200 people dead.”

Zusammen laufen wir danach durch die verregnete Nacht zurück zu Donnis Eltern, wo ich meinen Rucksack deponierte. Ich habe Wanty angesehen, dass sie nicht zu ihrem Vater will, und sage zu ihr, dass sie und ihr Freund heute Nacht bei mir im Zimmer schlafen kann. Als wir nach Elf im selben Hotel wie gestern angekommen sind, frage ich an der Rezeption noch nach einer direkten Verbindung zwischen Prapat und Bukit Lawang, wo ich den Rest meiner verbleibenden Zeit in Indonesien verbringen will. Hier kommen wieder die Vorzüge eines touristischen Platzes zum Tragen.

Ich schlafe schlecht, und höre, wie irgendwann in der Nacht Wanty aufsteht und nach Draußen geht. Ich folge ihr nach einer Weile und frage sie was sie bedrückt. Zunächst reden wir über den lustigen Abend im “Bagus Beach”, und über ihren Freund, von dem sie den Eindruck hat, dass er sich nicht genug um sie kümmert. Schließlich komme ich auf das Thema, das mich schon den ganzen Tag beschäftigt, seit dem Zeitpunkt, als wir von der Beerdigung nach Tuk-Tuk liefen, und sie dabei über Schmerzen an den Beinen klagte. Nachdem ich sie fragte was passiert ist, hat sie mir die Flecken an ihren Oberschenkeln gezeigt. Ich frage sie über ihren Vater aus, was heute alles vorgefallen ist, als er von der Beerdigung unerwartet früh zurück kam, und was sie von ihrem Vater hält, der auf mich einen etwas suspekten Eindruck machte. Ich denke ja, dass sie ihr Vater sexuell missbraucht - anders kann ich mir die starken Druckstellen an der Innenseite ihrer Oberschenkel nicht erklären. Aber alles was sie darauf weiß, ist, dass ich es vergessen soll. Nicht nur Kämpfe im Land, Neid und Hass im Dorf, sondern auch Gewalt in der Familie.

Abschied

Jetzt sitze ich in einem komfortablen Bus, habe einen Sitzplatz ganz für mich allein, und keiner kotzt mir über die Hose während ich dies schreibe. Auf dem Weg von Prapat nach Simantar kommen wir durch unendlich erscheinende Ölpalm- Plantagen. Ich denke viel über Wanty nach, über die Menschen in Indonesien, vor allem über die, welche jeden Tag um ihre Ration Reis besorgt sein müssen, und über das, was wohl nächstes Jahr in diesem Land sein wird. Wird die Wirtschaft unter einer neuen Regierung einen Aufschwung erfahren oder gibt es Aufstände und Kriege, die das Land in viele kleine Staaten zersplittert. Was wird aus Wanty werden? Geht sie nach Medan - weg von ihrem Vater - um dort nach Arbeit zu suchen?

Nach Sintar fahren wir durch riesige Kautschuk- Plantagen. In Tebing Tinggi kommen wir an einer Latex- Fabrik vorbei, aus deren Schornsteinen schwarzer Rauch aufsteigt. Eine graue Dunstglocke kündigt das nahe Medan an. Es dauert eine Weile, bis wir uns durch das Verkehrsgetümmel hindurch gekämpft haben. Fast Food Ketten aller bekannten Namen, gigantische Einkaufszentren, hohe Paläste von Banken, zwischen denen die winzigen Hütten aus Brettern wie altes Spielzeug wirken. Knatternde Becak ziehen blaue Rauchwolken hinter sich her, LKW nebeln uns mit ihrem schwarzen Ruß ein, und dazwischen wuseln die Fahrrad- Rikschas hindurch. Es ist stickig und Schwül in dieser Stadt, die nicht weit entfernt vom Meer liegt. Der Staub klebt auf der verschwitzten Haut.

Die Straße führt uns in westliche Richtung hinaus aus Medan, wo die Gegend wieder ländlicher wird. Zuerst kommen wir durch eine unvorstellbar große Ölpalm- Plantage von Lonsum (Companie aus London und Sumatra) - soweit das Auge reicht kann man nur Palmen sehen. Nach etlichen Kilometern gelangen wir in eine kleine Stadt, nach der eine ebenso große Kautschuk- Plantage folgt. Unweit von Bukit Lawang passieren wir eine Palmöl- Fabrik, die inmitten einer Plantage steht.

Um halb Sechs erreichen wir Bukit Lawang, eine kleine Stadt, von der es noch etwa einen Kilometer zum Bohorok River ist, an den sich zahlreiche Unterkünfte, Rumah Makan und Shops aller Art schmiegen.