Sumatra Rain

Ich sitze in einem netten Zimmer in Bengkulu, der Regen hämmert auf das Dach, und wird von einem heftigen Sturm durch die Straßen gepeitscht. Die Schatten zweier lila Rosen aus Stoff tanzen im Schein der Kerze an der Wand. Als ich vom nahe gelegenen Fort Marlborough, wo ich noch einen spektakulären Sonnenuntergang mit zwei Regenbogen am rosa verfärbten Himmel über dem Indischen Ozean erleben durfte, zurück zu meinem Hotel kam, lagen alle Straßen und das gesamte Gebäude im Dunkeln - Stromausfall. Das Glück verfolgt mich, holt mich aber nicht ein - ganz im Gegensatz zum Regen, der schneller ist als das Flugzeug, das mich von Denpasar via Jakarta hierher brachte. “Insel der Hoffnung” - Ich hoffe immer noch, dass mir der Regen meine geplanten Vorhaben, meine restlichen Tage nicht vollends versaut.

Bengkulu

Wenn man gerade von Denpasar kommt, hat man das Gefühl in einer anderen Welt gelandet zu sein. Während des Fluges von Jakarta war ich der einzige Hellhäutige an Bord des zweistrahligen Jets. Viele Geschäftsleute und ganze Familien mit ihren Kindern haben den letzten Stauraum der Maschine mit Kartons, Taschen und Tüten ausgefüllt. Neben mir erledigt ein Mann mit chinesischen Gesichtszügen seine Terminplanung auf einem Handheld- Computer. Als ich in Benkulu über den heißen Asphalt des leergefegten Taxiways zum Terminal laufe, erwartet mich ein weiterer Kulturschock. Arbeiter in zerschlissenen blauen Overalls schleppen das Gepäck vom Flugzeug in der sengenden Hitze des Nachmittags in den winzigen Raum, in dem ich mich inzwischen befinde, und werfen die Kisten, Koffer, Taschen und Tüten auf einen Tisch aus Metall, der umzingelt ist von Menschen, die in dem Durcheinander wühlen, und hoffen, ihre Tasche zu finden. Ich schaue mir das wilde Durcheinander lieber aus einer sicheren Entfernung an, und achte darauf, dass niemand mit meinem Rucksack den kleinen Raum durch die Glastüre verlässt.

Es ist ein Land der Gegensätze - der Vielfalt. Wobei man es im Grunde genommen nicht als ein Land bezeichnen kann oder sollte. Der Name des Archipels, der 13.677 Inseln zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean, wurde erst etwa vor 100 Jahren von dem deutschen Ethnologen Adolf Bastian kreiert. Es setzt sich aus den beiden Wörtern indos (indisch) und nesos (Insel) zusammen. Die Indonesier nennen ihre Heimat Tanah Air (Land und Wasser). Allein schon die immensen Ausdehnungen, die sich auf Europa bezogen von Portugal bis zum Ural erstrecken, verdeutlichen einem, dass die Menschen und Traditionen ebenso vielfältig und reichhaltig sein müssen wie Fauna und Flora. In diesem Archipel herrschen schneebedeckte Gipfel neben rauchenden Vulkanen, undurchdringliche Urwälder neben ausgedörrter Steppe, Moskitoverseuchte Sümpfe neben fruchtbaren Ebenen und mit Palmen bestandenen Stränden. Hier wachsen die seltensten Edelhölzer, Früchte und Gewürze, die größte Blume der Welt, und hier leben die letzten leibhaftigen Drachen, die letzten Orang-Utans, und die farbenfrohen Paradiesvögel.

Kepahiang

Im Grunde genommen habe ich heute nichts unternommen, außer einigen Infos in Erfahrung gebracht, was bei weitem nicht so einfach ist wie auf Bali. Ich besorgte mir einen Fahrer, der sich gut in der Gegend auskennt, mich um Sieben abholte, und in die Berge zum Posten des PHPA Office in Kapahiang brachte. Der Mann dort kennt wohl am besten die verschiedensten Standorte der Rafflesia arnoldi, und wie er sagte, wachsen in diesem Gebiet auch Amorphophallus titanum, die anscheinend nur noch auf Sumatra vorkommt, und eine der höchsten Blumen der Welt ist. Aber er sagt auch, dass der viele Regen in den vergangenen Tagen dafür verantwortlich ist, das derzeit keine von beiden in Blüte steht. Mein Fahrer meinte, dass er noch einen anderen Standort wüsste, der 20 Kilometer entfernt liegt, aber auch hier war nichts zu sehen.

Am frühen Nachmittag sind wir wieder nach Bengkulu zurückgekommen, haben ein Busticket für den morgigen Tag nach Sungaipenuh besorgt, und haben anschließend in einem Warung noch etwas padang food gegessen. Da bekommt man fünf bis sieben kleine Schüsselchen und Reis vorgesetzt. Verschiedene Fische, Gemüse, Fleisch, und Soßen, von dem man nur das bezahlt, was man gegessen hat. Für uns beide habe ich 15.000 RP (3,30 DM) bezahlt, inklusive Getränke. Auf dem Markt habe ich mir noch eine Papaya (1.000 RP) die viermal so groß ist, wie die, wo man bei uns bekommt, und ein Netz Avocado (3.000 RP) besorgt.

Danach bin ich eigentlich nur noch zurück zu meinem Hotel geschlendert. Was ich aber dabei erlebte, habe ich während der ganzen Tage auf Bali nicht gesehen. Irgendwie bin ich in den Randbezirk der Stadt gekommen, hier werden die Straßen schmäler, bis sie nur noch kleine Gassen sind. Die Häuser sind nicht mehr aus Ziegel oder Beton wie im Stadtkern, sondern aus Holz, wo im kleinen Vorgarten die Hühner scharren, man sich auf der schattigen Veranda zu einem Schwätzchen trifft, und jeder ein freundliches Wort und Lächeln für mich parat hat. Hier scheinen die Uhren noch langsamer zu laufen, als sie das ohnehin in der Stadt schon tun. Man fragt dich woher du kommst, wohin du willst, wie du heißt. Geduldig und ausführlich erklären sie mir den Weg. Auf Indonesisch, denn Englisch spricht hier niemand, abgesehen von den kleinen Jungs, die ihre selbst gebastelten Drachen im Wind zwischen den Palmen tanzen lassen, bis sie mich bemerken und mir alle zurufen. So wie ich mir vorkomme, so muss sich wohl auch ein Sportler oder Star fühlen, der von seinen Fans gefeiert wird. Ich stehe im Mittelpunkt allen Interesses, wobei niemand aufdringlich wirkt, und seltsamerweise betteln mich nicht mal die Kinder an, oder wollen mir meine Turnschuhe putzen. Ich gebe zwei Jungs, die mich schon seit längerer Zeit begleiten und mir den Weg zeigen, je eine Banane die ich auf dem Markt gekauft habe. Ich weiß nicht, wer von euch solche Situationen schon einmal erlebt hat? Es fällt mir jedenfalls schwer, dieses Gefühl, die Atmosphäre, welche Zufriedenheit und Ruhe ausstrahlt, auch nur annähernd zu beschreiben.

Am späten Nachmittag verdunkelt sich der Himmel, und wenig später beginnt das gleiche Schauspiel wie am Vortag, nur, dass bis jetzt der Strom noch nicht ausgefallen ist. Aus der katholischen Kirche gegenüber dringt ein Gesang zu mir, während zur gleichen Zeit aus einer Moschee etwas weiter entfernt ein Muezzin durch die Lautsprecher zum Gebet aufruft. In Bali stehen in jeder etwas größeren Gemeinde mindestens drei Tempel, und wenn ich hier durch die Straßen laufe, sehe ich bald an jeder Straßenecke eine Moschee stehen.

Der Sturm hat inzwischen nachgelassen, doch der Regen prasselt immer noch aufs Dach, und ich mache mir Gedanken, ob dadurch mein morgiges Vorhaben nicht ins Wasser fallen wird.