Cote‘d Azur - waktu panjang

Es ist kurz nach Zwölf, ich sitze in einem für indonesische Verhältnisse mittelgroßen Bus, in dem gerade mal 30 schmale Sitzplätze vorhanden sind. Wir rumpeln über eine kurvenreiche, und teilweise so schmale Piste, dass wir anhalten müssen, wenn uns ein LKW entgegen kommt. Soeben sind wir über eine auf der Straße liegende, tote, junge Ziege gefahren, wobei es mich wundert, dass nicht mehr Tiere erfasst werden, denn Hunde, Hühner, Rinder, Wasserbüffel laufen frei herum und grasen sorglos neben einer Straße.

Aber ich denke, ich sollte besser von heute Morgen beginnen. Nachdem ich mir noch etwas zum Trinken und eine Kleinigkeit zum Essen besorgt hatte, war ich kurz vor Neun am Office, wo ich mir gestern einen Sitzplatz für den Bus nach Sungaipenuh reservieren ließ. Dort hat der Mann hinter seinem Schreibtisch zuerst mal mein Ticket gegen ein anderes ausgetauscht, aus welchem Grund auch immer. Ich wollte von ihm noch wissen, welchen Weg der Bus nehmen wird, ob er an der Küste entlang fährt, oder über die Berge. Er meinte, dass die Strecke an der Küste sehr schlecht sei, und der Bus den angenehmeren Weg über die Berge nehmen würde, der etwa 12 Stunden dauert. Daraufhin fragte ich, wann wir denn Sungaipenuh erreichen würden. Er meinte, dass wenn wir Benkulu um Neun verlassen, wir morgen um Sieben ankommen müssten. Dann hab ich ihm zuerst einmal vorgerechnet, dass seine 12 Stunden wohl nicht ganz stimmen können. sing ken ken - don‘t worry - Indonesien wie es leibt und lebt. Bis der Bus dann auftauchte, war es auch bereits Zehn. Ich stieg als einziger in den leeren Bus, der natürlich erst noch die obligatorische Stadtrunde drehte, irgendwo wurde der Fahrer gewechselt, und zu meiner Verwunderung verließen wir nur halb belegt Bengkulu. Obwohl es sich um einen Mercedes handelt, der aber schon ein paar Jahre auf dem Buckel zu haben scheint, gibt es keine Aircondition, und die Polsterung der Sitze, soweit noch vorhanden, ist dermaßen durchgesessen, dass man das Gefühl hat, auf dem blanken Rohrgestell zu sitzen.

Jetzt bewegen wir uns wieder, nachdem wir einen kurzen Stopp an einer “Raststätte” einlegten, im Rhythmus der aus dem großen Lautsprecher klirrenden Dangdutt Musik, durch das Auf und Ab der zahllosen Kurven auf der bereits zu Anfang beschriebenen Piste, die entlang der Küste führt, und sich wirklich (hier hatte der Mann aus dem Office recht) in schlechte Zustand befindet. In dem Rumah Makan hatte ich den Eindruck, in einer großen Familie zu sein, wenn man zusammen mit den anderen Fahrgästen bei Padang Food am Tisch sitzt, und dabei keineswegs als Ausländer oder Außenstehender behandelt wird, auch wenn sich die Mädchen in der Küche bereits wieder einen Ast ablachen, aus welchem Grund auch immer, und die Hälfte der Kinder aus dem Dorf zum Fenster reinstarren. Das wundert mich jedoch nicht sonderlich, denn es scheint, als würden hier nur sehr selten Touristen vorbeikommen.

Was unsere Ankunftszeit in Sungaipenuh anbelangt, lasse ich mich überraschen, da man hier anscheinend nur das glauben kann, was man selber sieht oder erlebt. Es werden wohl, nach meiner Karte zu urteilen, zwischen 400 und 500 Kilometer sein, wobei auf dieser Strecke mit Sicherheit kein Schnitt von 50 eingehalten werden kann. Ich komme meiner Heimat näher, wenn auch nur sehr langsam.

Was die Natur und Landschaft in dieser Region anbelangt, ist sie recht abwechslungsreich. Immer wieder überqueren wir einen Fluss und haben freien Blick auf die Küste mit ihrem Sandstrand. Dann geht es wieder etwas weiter ins Landesinnere, wo der Wald an manchen Stillen noch ursprünglich aussieht. Man hat aber keineswegs den Eindruck, sich durch Regenwald zu bewegen, denn zum Großteil wurde er abgebrannt, und durch Plantagen ersetzt, oder das Land liegt einfach brach.

Die Sonne versinkt jetzt im Indischen Ozean, und wir fahren durch ein Sumpfgebiet unweit des Strandes, in dem Reis und Mais angebaut werden. Rinder, die zurück in die Dörfer getrieben werden, laufen kreuz und quer über die Straße, und zwingen uns immer wieder zum Anhalten. Der Staub, der durch die weit geöffneten Fenster im Inneren aufgewirbelt wird, beißt sich überall fest, und produziert zusammen mit dem Schweiß eine klebrige Schicht auf Haut und Kleidung. Alles fühlt sich an wie feines, feuchtes Sandpapier, und beim nächsten Mandi wir eine dunkle, graue Brühe den Abfluss hinaus fließen.

luncur

Plötzlich stehen wir mitten in der Wildnis, nichts bewegt sich mehr. Es ist stockfinster, die Zikaden zirpen, von irgendwoher rauscht ein Fluss, und vor uns stehen einige Fahrzeuge wirr auf dem Weg, der hier gerade mal einspurig ist. Vor einigen Stunden, als es noch hell war, habe ich bereits einen Lastwagen am Abgrund in den Bäumen hängen sehen, und ich vermute, dass hier noch mehr passiert ist. Aber irgendwie passt das Verhalten der Leute nicht zu einem schweren Unglück, bei dem Menschen verletzt wurden. Jetzt stehen wir bereits eine halbe Stunde, bis Bewegung in das Geschehen kommt. Alle vor uns befindlichen Fahrzeuge rangieren hin und her, bis sie sich ganz nach links in die Büsche gedrängt haben, und kurze Zeit später sehe ich Scheinwerfer entgegen kommen. Der Weg scheint also wieder befahrbar und frei zu sein. Jetzt rührt sich auch was bei den Fahrzeugen vor uns. Eines nach dem Anderen verschwindet hinter einer Kurve in der Nacht. Als nur noch ein Lastwagen vor uns in der Reihe ist, erkenne ich auch den Grund dieser Verzögerung. Eine Schlamm- Lawine hat sich infolge der starken Regenfälle den Hang herunter gewälzt, und mit einer meterdicken Dreckschicht die Straße versperrt. Die Männer haben eine schmale Fahrrinne gegraben, durch die soeben der LKW vor uns hindurch rutscht. Jetzt sind wir an der Reihe, und ich hätte es vorgezogen auszusteigen, als ich den Tanz von dem Lastwagen vor uns gesehen habe, und mir bewusst wurde, wie nah er sich dabei am Abgrund bewegt, doch keiner der Fahrgäste macht Anstalten zum Aussteigen, und der Fahrer macht den Eindruck, als sei es für ihn was alltägliches. Ganz so einfach scheint diese Situation doch nicht zu sein, denn am Scheitelpunkt der Kurve bleibt der Bus stecken. Ich sehe mich schon durch den Schlamm stapfen und schieben. Jedoch gelingt es dem Fahrer, uns aus eigener Kraft und durch sein Können aus dieser Lage zu befreit. Ich danke Gott, als wir diese kritische Stelle passiert haben, und hätte dem Fahrer Applaus geschenkt, was aber das Publikum dieser Vorführung äußerster Geschicklichkeit nicht für nötig hält.

Nur wenige Minuten später legen wir unseren zweiten Stopp an einem Rumah Makan ein. Der Fahrer hat inzwischen bestimmt eine Schachtel Gudam Garang verraucht, und ich weiß nicht mehr wie ich mich hinsetzen soll, weil inzwischen mein komplettes Hinterteil durchgesessen ist wie die Polsterung des Sitzes selbst. Ich trinke nur einen Kaffee, und vertrete mir lieber die Füße anstatt mit den Andren zu essen, bevor dieser Trip seine Fortsetzung findet. Ab hier ist ein anderer Mann der Akteur hinter dem Lenkrad, und ich frage mich, ob er die gleichen Qualitäten besitzt, und ob er sie auch zum Einsatz bringen muss.

Der pechschwarze Himmel wird von einem Gewitter in der Ferne hell erleuchtet. Soweit ich es im Licht der Scheinwerfer beurteilen kann, bewegen wir uns jetzt in dichtem Wald, was auch den Dunst erklären würde, der die Sichtweite auf wenige Meter beschränkt. Wir kommen nur noch im Schritt-Tempo voran, was aber nicht ausschließlich auf den Dunst zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf den Zustand des Fahrwegs, der dieser Bezeichnung nun nicht mehr gerecht wird. Die Asphaltdecke ist nun völlig verschwunden, dafür folgt ein tiefes Wasserloch dem anderen, Erdrutsche die das Heck des Busses zum Tanzen bringen, umgestürzte Bäume zwingen uns an den Rand des Abgrunds, dort wo an einigen Stellen schon Teile der Piste fehlen, und die ohnehin schon schmale Fahrspur noch weiter verengen. Von Zeit zu Zeit kommt dann noch ein anderes Gefährt entgegen, was die ganze Sache zur Millimeter- Arbeit werden lässt. Obwohl es inzwischen Mitternacht ist, und ich hundemüde bin, ist bei dem Geschaukle an schlafen nicht zu denken.

Die letzten Stunden haben wir uns stetig hinauf geschlängelt, was sich auch in den Temperaturen bemerkbar macht, nun verlassen wir den Wald, in der Ferne kann ich Lichter einer Stadt erkennen, der Weg wird “freundlicher”, und es geht wieder leicht abwärts. Um zwei Uhr parkt unser Fahrer den Bus neben drei anderen an einer kleinen Station in der Stadt deren Lichter ich bereits sah. Der Fahrer steigt aus und verschwindet im Haus. Ich vermute, dass dieser Ort Sungaipenuh sein müsste, aber entgegen meinen Erwartungen rührt sich im Bus nichts. Die meisten schlafen tief, und weil ich zu dieser Stunde ohnehin geringe Chancen hätte, ein Zimmer zu finden, versuche ich auch etwas Schlaf zu finden. Daraus wird aber nichts. Eine Stunde drehe und wende ich mich, um eine passende Stellung zwischen meinem Gepäck und den engen Sitzen zu finden. Vergeblich! In Anbetracht meines schmerzenden Hinterteils entschließe ich mich den Bus zu verlassen, und mir etwas die Gegend anzusehen.  Vielleicht kann ich ja herausfinden was das für ein Ort ist. In dem Haus, in dem der Fahrer verschwunden ist, brennt Licht, und ich gehe in den Raum, der erfüllt ist mit einem Geruch aus Kaffee und Diesel. Zwei Jungs erklären mir, dass dies Sungaipenuh ist, und die Schlafenden im Bus noch weiterfahren. Bald darauf taucht auch unserer Fahrer wieder auf, und ich setzt mich wieder in den Bus, der mich noch bis zum Sonntagsmarkt im Zentrum der Stadt bringt. Hier sitze ich nun bei angenehmen Morgentemperaturen an einem Essensstand und lasse noch mal die vergangenen 22 Stunden, die ich nun unterwegs bin, in meinen Gedanken vorüberziehen.

Was sind schon zwölf Stunden Flug gegenüber einer solchen Busfahrt, und was wäre ein Urlaub auf Sumatra ohne solch ein Erlebnis? Es war eine meiner längsten Busreisen, und mit Sicherheit auch eine wenn nicht gar die, aufregendste Fahrt.